Trash

Von Stefan, Sa 01 Dezember 2007, veröffentlich in Blog

„Das ist hier keine Party!" geht einer der anwesenden Künstler den Schlagzeuger an, als er diesem während des Spielens die Sticks aus der Hand nimmt und auf den Boden legt. Nicht nett, aber als Künstler muss man so etwas ab und zu einmal bringen. Ich beschließe dem Künstler Abneigung entgegen zu bringen und werfe dem Schlagzeuger, den ich meinen Freund nennen kann, einen vielsagenden Blick zu.

Zirka eine Stunde eher war ich auf dieser Nicht-Party eingetroffen, fand ein paar Freunde, unter anderem besagten Schlagzeuger, in einem Keller des Gebäudes vor und wurde Zeuge, wie sie mit brachialem Dilettantismus ihre Instrumente bearbeiteten. Schon im Eingangsbereich des Hauses ließen die Geräusche - Klänge wäre übertrieben - böses erahnen. Trotz allem waren in dem kleinen Raum nicht weniger als fünf Künstler versammelt die sich dort in aller Form bekrachen ließen, allesamt mit einem Gesichtsausdruck als wären sie bei der Geburt einer neuen Kunstform anwesend, die die Welt revolutionieren wird.

Später auf der Nicht-Party stellen wir zusammen fest, dass man hier wirklich alles bringen kann und das ganze in der Tat noch als Kunst verkauft bekommt. Ich gebe zu bedenken, dass sich 5 Künstler gegenseitig in verzwickte Situationen manövrieren können: Alle finden es einfach schlimm, müssen aber doch in voller Begeisterung teilnehmen, da ja jeder Angst hat, sich vor den anderen zu blamieren bzw. zu disqualifizieren, die ja nun mit voller Begeisterung teilnehmen. Vielleicht ist es jetzt aber wirklich so weit gekommen, dass Trash eine Form von Kunst sein soll.

In unserem Flur hängt ein Plakat von den Puhdys, über dem Herd eins der Don Kossaken. Wegen des Trash-Faktors. Irgendwie finde ich das ganz witzig, aber ein Flur in gediegenen Farben mit abgestimmter indirekter Beleuchtung wäre mir lieber. Das in der anderen WG in unserem Haus BRAVO-Poster über dem Küchentisch hängen, finde ich auch ganz amüsant, aber ich bezweifele ernsthaft, ob mir das essen nach längerer Zeit dort noch schmecken würde. Das Plakat von Tokio Hotel hat bis jetzt noch keiner angebracht. Mein Mitbewohner hört Elektro-Punk und weil es gerade angesagt ist und irgendwie auch ganz trashig, spielt er neben seiner wirklich guten Band in einer Menge weiterer Spaßprojekte mit.

Überhaupt schient es ohne Trash nicht mehr so wirklich zu laufen heute. Es ist eine ganze Weile her, dass ich neue Bilder und Fotos gesehen oder Musik gehört habe, die ohne besagten Faktor auskommt. Trash scheint inzwischen nicht nur jedem zu ermöglichen, sein Talent oder eben auch nicht zur Sache beizusteuern, es wird auch immer schwieriger wirklich anspruchsvolle Kunst zu betreiben, ohne sich dem Vorwurf des Spießers auszusetzen. So muss ich tatsächlich erklären, dass ich nach all den Jahren keine Musik mehr mache und viel lieber programmiere, weil mir das Talent eben nur für letzteres wirklich gegeben ist.

Und bevor ich mir jetzt einen dicken Haufen Schelte einhandele: Nein, ich finde das alles nicht schlimm, bisweilen sogar ganz nett. Die Trash-Projekte, die Nicht-Partys und auch das diesjährige TrashArtFestival. Ich fände es nur toll mal wieder ein Ding zu starten mit richtig Anspruch dahinter, begründet auf dem Willen wirklich gut sein zu wollen, ohne das jemand kommt und das alles viel zu ernst oder zu bieder findet, anstatt das ganze Potential so schleifen zu lassen, nur weil es irgendwie witzig ist trashig zu sein.